Was? Seminararbeit an einem Wochenende schreiben? Hab ich hier etwa ein Wort vergessen und es soll eigentlich heißen: „Warum du deine Seminararbeit NICHT an einem Wochenende schreiben solltest“?
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Ich meine es genauso, wie es da steht.
Eine wissenschaftliche Arbeit an einem Wochenende schreiben – geht das? Und wer kommt auf die Idee, das machen zu wollen?
In den meisten Fällen hast du als Student sehr viel Zeit für das Schreiben von schriftlichen Arbeiten in Seminaren. In meinem Bachelorstudium war das meist ein Semester. Der Master war etwas anders aufgebaut. Hier war die Zeit knapper, aber immer noch reichlich vorhanden.
Wie gehen jetzt viele Studenten vor, wenn sie eine Hausarbeit schreiben sollen?
Wie die meisten Studenten Seminararbeiten schreiben
Da bekommst du also eine Fragestellung zugeteilt. Oder du hast selbst eine Fragestellung entwickelt. Auf jeden Fall geht es los mit deiner Seminararbeit. Die Abgabe ist erst in ein paar Monaten.
Wie gehst du jetzt am besten vor?
Die erste Gruppe an Studenten (meistens Mädchen) wird jetzt in die Bibliothek stürzen und recherchieren, was das Zeug hält. Jedes Buch, jede Zeitung, jedes Paper, was zum Thema passen könnte, wird genauestens studiert und bunt angemalt. Zeitaufwand: utopisch hoch.
Die zweite Gruppe an Studenten (meistens Jungs) checkt die Deadline und sagt sich: „Ist ja noch ewig Zeit“. Die Aufgabe kommt also auf irgendeine Ablage und bleibt dort erstmal liegen.
Bis ein paar Tage vor Abgabe. Und dann wird es hektisch. Auf die schnelle werden Thesen aus dem Boden gestampft und zusammengeschrieben. Für Korrekturlesen bleibt keine Zeit. Zehn Minuten vor Abgabe geht es in den Copyshop, um dann mit dem Schlag der Deadline die Arbeit einzureichen. Danach ist man erstmal fertig mit den Nerven.
Welche Gruppe bekommt die bessere Note? Das ist schwer zu sagen und lässt sich wahrscheinlich auch nicht verallgemeinern.
Welche Gruppe war jetzt produktiver? Ganz sicher die zweite.
Ist das Vorgehen der zweiten Gruppe empfehlenswert? Vielleicht nicht immer. Es kommt ein Punkt, an dem ist es tatsächlich zu spät, eine gute Seminararbeit abliefern zu können. Der liegt aber erstaunlich nah an der Deadline.
Lässt sich das Ganze auch wissenschaftlich betrachten?
Aber sicher, genau das hat der britische Soziologe Cyril Northcote Parkinson getan. Und daraus gleich ein Gesetz gemacht.
Das Parkinsonsche Gesetz
Im Grunde gibt es viele schlaue Gesetze von Parkinson, die halb ironisch, halb ernst gemeint sind. Ein Gesetz lautet:
Work expands so as to fill the time available for its completion.
Was bedeutet das? Ganz einfach: du wirst so lange für eine Aufgabe brauchen, wie du dir Zeit dafür nimmst. Die Arbeit wird einfach die ganze Zeitspanne in Anspruch nehmen, die für ihre Erledigung vorgesehen ist. Deshalb prokrastinieren wir auch so gerne.
Wenn du in einer Klausur 90 Minuten für alle Aufgaben Zeit hast, wirst du versuchen, die Zeit so einzuteilen, dass du nach 90 Minuten mit allen Fragen durch bist. Denn du weißt, dass du keine 120 Minuten hast. Oder 100 Minuten. Sondern eben exakt 90.
Wenn du jetzt bei einer Seminararbeit drei Monate Zeit hast, um sie fertigzustellen, wirst du auch exakt drei Monate dafür benötigen. Rate mal, wann du fertig wirst, wenn du einen Monat später mit der Arbeit anfängst? ;-)
Das ist übrigens auch der Grund, warum man den Bus im letzten Moment doch noch erwischt (meistens jedenfalls). Die Zeit bis zur Abfahrt des Buses wurde einfach mit anderen Aufgaben gefüllt (zum Beispiel Schlafen).
Wie man das Parkinsonsche Gesetz anwendet
In meinem Auslandsemester in Schweden habe ich das Parkinsonsche Gesetz perfekt angewendet. Hier gab es jede Woche eine kleinere Arbeit zu schreiben (sehr klein, vielleicht anderthalb bis zwei Seiten). Meistens gab es diese Aufgabe zu einem bestimmten Buch oder Paper, das es zuvor zu lesen galt.
Der Witz an der Sache: man konnte diese Aufgabe nur bestehen oder nicht bestehen. Es gab sonst keine weitere Note.
Was haben jetzt einige meiner Mitstudenten gemacht? Sie haben sich bereits eine Woche vor Abgabe des Papers in die Bibliothek verkrochen und fleißig Gliederungen und Thesen aufgestellt, weitere Literatur zusammengetragen, Gedanken gesponnen und verworfen. Und das eine ganze Woche lang.
Was habe ich gemacht?
Ich hab zwei Stunden vor Deadline mit dem Schreiben angefangen.
Habe ich alle Paper bestanden?
Jo.
Damit war die die Aufgabe erledigt. Mit einem viel geringeren Zeitaufwand (natürlich hatte ich die notwendige Literatur schon etwas eher gelesen ;-) ).
War das Ganze stressig? Ein wenig schon aber ein Studium ist ja auch dazu da, um den Umgang mit Stress zu lernen.
Natürlich kann man den Zeitaufwand für wissenschaftliche Arbeit nicht immer weiter verkürzen – irgendwann ist auch die entfernteste Deadline vorbeigerauscht.
Du kannst das Ganze aber schon ganz gut auf deine eigenen Bedürfnisse anpassen. Einfach so, dass du dich beim Schreiben wohlfühlst (wobei einer meiner Kommilitonen seine Bachelorarbeit tatsächlich an einem Wochenende geschrieben hat – das ist aber eine andere Geschichte).
Aber eine Deadline ist doch tödlich!
Stimmt. Das Problem, was sich mit dem Parkinsonschen Gesetz ergibt, ist folgendes: Wenn du tatsächlich sehr knapp vor der Deadline mit dem echten Schreiben beginnst und ein Problem auftaucht, ist es zu spät. Wenn irgendetwas schief geht, kann der Stresspegel schnell zu weit ansteigen und du kannst keine optimale Arbeit abliefern.
Wie man das Problem lösen?
Mit künstlichen Deadlines!
Künstliche Deadlines
Was ist eine künstliche Deadline? Das ist einfach ein Zeitpunkt, den du dir selbst setzt. Die echte Deadline bekommst du von der Uni oder deinem Dozenten. Wenn du zu diesem Zeitpunkt nicht fertig bist, war es das.
Nicht bestanden. Punkt.
Um genau das zu vermeiden, setzt du dir eine künstliche Deadline. Zu diesem Zeitpunkt möchtest du also mit deiner Arbeit fertig sein (oder zumindest soweit sein, dass du sie Freunden und Verwandten zum Korrekturlesen geben kannst).
Die künstliche Deadline packst du zeitlich soweit vor die echte Deadline, dass du dich wohl fühlst. Das können jetzt drei Tage oder drei Wochen sein. Mach es einfach so, dass es zu dir passt. Auf diese Weise erschaffst du einen Pufferblock bis zur echten Abgabe.
Aber warum soll ich künstliche Deadlines einhalten?
Gute Frage, denn was passiert, wenn du die Deadline überschreitest? Nichts. Das ist nicht gut, denn dein Unterbewusstsein wird versuchen, dich auszutricksen. Es wird kontinuierlich daran arbeiten, deine gesetzte Frist als unwichtig hinzustellen. Damit du sie einfach verstreichen lässt.
Was kann man jetzt machen, um aus einer künstlichen Deadline eine echte Deadline zu machen?
Eine ähnliche Frage hat sich auch ein lässiger Holländer gestellt und mit dieser Idee ein Startup mit dem schönen Namen „Go F*****g do it“ gegründet. Die Idee ist dabei ganz einfach: du legst eine Deadline und einen Preis fest, gibst deine Kreditkartendaten ein und bestimmst einen Freund, der das Ganze kontrolliert. Dein Freund wird dann nach Ablauf der Deadline gefragt, ob du diese eingehalten hast. Wenn nicht, musst du zahlen.
Genau diese Idee kannst du dir zunutze machen. Du trickst dich also selbst aus. Verkünde dein Ziel öffentlich. Und lass dich von einem Freund kontrollieren. Dabei kannst du unterschiedliche Bestrafungen wählen, zum Beispiel einen Monat lang nicht in die Kneipe gehen. Oder 100 Euro für UNICEF spenden.
Wenn du dich richtig motivieren möchtest, gib deinem Freund die Aufgabe, dein Geld bei deinem Versagen an eine Organisation zu spenden, die du nicht leiden kannst. Zum Beispiel an die FIFA. Dann hast du deine perfekte Motivation!
Der richtige Arbeitsablauf für deine Seminararbeit
Du kennst jetzt alle Werkzeuge, um das Schreiben deiner Arbeit zu planen. Ein Gedanke fehlt aber noch:
Warum nur eine künstliche Deadline? Bastel dir doch einfach mehrere!
Zerlege die Aufgabe in einzelne Bestandteile. Zu Beginn kann das zum Beispiel „Literatur suchen“ oder „Gliederung schreiben“ sein. Am Ende geht es dann eher darum, die Arbeit auszuformulieren.
Jetzt setzt du dir für jede kleinere Aufgabe eine Deadline. Zum Beispiel:
„Bis 31. März bin ich fertig mit der Literaturrecherche. Ansonsten spendet Thomas 100 Euro in meinem Namen an die Interessengemeinschaft für mehr Fast Food in Kindergärten.“
Das sollte dich motivieren! :-D
Und so kann das Ganze dann aussehen:
Deadline | Aufgabe |
15. Oktober | Literatur Recherche |
13. November | Fragestellung und Gliederung |
17. Dezember | Grobe Formulierung |
11. Januar | Ausformulierte Fassung |
28. Februar | Deadline der Uni |
Mit diesem Vorgehen lassen sich auch prima Seminararbeiten schreiben, bei denen du von deinem Dozenten keine feste Deadline bekommst.
Muss ich das Alles ganz genauso umsetzen?
Nein, natürlich nicht. Wie bei allen Tools zum Zeitmanagement geht es darum zu testen, was man selbst gerne nutzen möchte. Probiere also einfach aus, ob du mit der Methode Erfolg hast.
Natürlich muss man auch immer flexibel bleiben. Gerade beim Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten musst du zwischen den einzelnen Arbeitsschritten öfters hin und her springen. Trotzdem kann dir ein strukturiertes Vorgehen viel Zeit sparen! Du wirst deine Arbeit also nicht vollständig an einem Wochenende recherchieren und schreiben können (ist zumindest meistens nicht empfehlenswert), aber wenn du es richtig anstellst, kannst du an zwei Tagen wirklich verdammt weit kommen!
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Kathi Keinstein says
Ein interessanter und absolut kurzweilig zu lesender Artikel :). Als Diplom-Chemikerin im Zweitstudium zum höheren Lehramt erkenne ich hier viele meiner eigenen Strategien wieder, mit denen ich es von der Prokrastinations-Expertin zum Hochschulabschluss gebracht habe.
Dass Parkinson meine eher instinktiv entwickelten Strategien sogar in einen wissenschaftlichen Rahmen gefasst hat, wusste ich bislang nicht.
Anbei: Das genannte Parkinson-Gesetzt gilt, wie ich feststellen konnte, auch für das Verfassen von Blog-Artikeln ;) (insbesondere für meine eigenen naturwissenschaftlich ausgerichteten Posts auf http://www.keinsteins-kiste.ch, die auch ein gewisses Mass an Recherche und Strukturierung erfordern).
Hannes says
Hej Kathi,
Glückwunsch zum Abschluss :-)
Das hast du dir aber ein cooles Thema für deinen Blog rausgesucht, viel Erfolg beim effektiven Erstellen naturwissenschaftlicher Artikel :-D
Viele Grüße
Hannes
Geraldine says
„Bis 31. März bin ich fertig mit der Literaturrecherche. Ansonsten spendet Thomas 100 Euro in meinem Namen an die Interessengemeinschaft für mehr Fast Food in Kindergärten.“
Das klingt besser als unsere bisherige Lösung. Für eine Unterschreitung des Tagespensums haben wir uns selbst Liegestütze verordnet. Das hat eine Weile sehr gut funktioniert. Nun jammern wir im Kollektiv über eine sich ausbreitende Schulterarthrose und brauchen ein neues Modell. :-)
Hannes says
Hi Geraldine,
dann seit ihr ja schon auf einem guten Weg. :-D
Vielleicht könnt ihr das Ganze ja zu einem kompletten Workout ausbauen. Wie wäre es als nächstes mit Sit-ups? ;-)
Viele Grüße
Hannes